Friedensreich Hundertwasser. Ein Sonntagsarchitekt - Gebaute Trنume und Sehnsüchte
(www.dam.inm.de) Er liebte die Spirale und die gewundenen Linien und verteufelte die Gerade und den rechten Winkel. Dass ausgerechnet das DAM, das Oswald Mathias Ungers auf einem quadratischen Grundraster errichtete, eine Ausstellung von Bauten Hundertwassers und zahlreichen GemÙ†lden mit Architekturmotiven zeigt, hÙ†tte der im Jahre 2000 verstorbene Wiener vermutlich abgelehnt.
Der grÙÙƒte Teil der BevÙlkerung liebt die mÙ†rchenhaften Bauten Friedensreich Hundertwassers. Die meisten Menschen freuen sich an ihrem Formenreichtum und ihrer bunten Vielfalt. Die Architekturfachpresse und die Architekten haben dafür nur Verachtung übrig. Für sie ist Hundertwasser ein Dilettant und eine Ausstellung über ihn im DAM eine Zumutung. Es ist diese Dialektik einer breiten Massenzustimmung zu Hundertwasser und seiner internationalen PopularitÙ†t einerseits und der totalen Ablehnung andererseits, die das DAM zu einer Ausstellung veranlasst haben. Dabei war das erklÙ†rte Ziel vor allem im Katalog, das Vorurteil gegenüber Hundertwasser nachzufragen, und zwar durch ein breit gefÙ†chertes interdisziplinÙ†res Autorenteam, zu dem der Architekt Arno Lederer gehÙrt, der Architekturkritiker Gert KÙ†hler, der Biologe und Verhaltensforscher Bernd LÙtsch, der Kunsthistoriker Wieland Schmied, der Kunsthistoriker und Philosoph Robert Fleck, der Soziologe Bernhard SchÙ†fers, der Psychologe Micha Hilgers, der Architekt und Kritiker Patrick ZÙller. Sie alle bemühen sich um Argumente pro und contra die Bauten Hundertwassers und um eine sachliche Diskussion.
Hundertwassers Bauten, so einige der Autoren, beeindrucken wegen des naiven Zugangs, den sie dem Betrachter ermÙglichen. Robert Fleck, der Direktor der Deichtorhallen in Hamburg, kommt zu der Charakteristik eines ungemein begabten Querdenkers, der alles andere war als ein "Verharmloser", wie Architekten ihn beschreiben. "Er galt als einer der umtriebigsten Kommunikatoren der Kunstszene, als raffinierter Routinier, als mit 'hundert Wassern' gewaschen, als 'Behübscher' und als gewiefter marktkundiger 'Tausendsassa'. In einer lustigen Karikatur hat ihn der Wiener Standard einmal als einen auf allen Hochzeiten tanzenden Derwisch dargestellt, der durch unzÙ†hlige AktivitÙ†ten die verschiedensten Wünsche gleichzeitig bedient." Dem Erbauer von biomorphen HÙ†usern, von ornamentalen Fassaden, von bunten PhantasieschlÙssern sprechen die Autoren des Kataloges die guten Absichten einer sinnlichen Architektur nicht ab. Einig allerdings sind sich alle, dass Hundertwassers Bauten nicht mit den sanften Kurven der Architektur eines Oscar Niemeyers zu vergleichen sind oder den reich dekorierten gebauten Sinfonien eines Antoni Gaudi. Niemeyers Architektur ist innen wie auÙƒen aus einem Guss; Antoni Gaudi war ein groÙƒartiger Ingenieur und die meisten seiner Bauten sind ebenso handwerklich bestechend wie statisch innovativ. Dass Hundertwasser den rechten Winkel ablehnte und die gerade Linie verbrecherisch fand, macht ihn nicht einzigartig. Auch der japanische Metabolismus war jeder starren Ordnung abhold und suchte die Symbiose von Natur und Technik, von Ordnung und Chaos; für die immer weiter um sich greifende Blobarchitektur gilt als Prinzip der emotionale Schwung gegen die rationale Struktur der Box. "Würfel sind nicht das MaÙƒ aller Dinge", kommentiert Greg Lynn diese Entwicklung. Seit eine hoch entwickelte Software schwingende, flieÙƒende Architekturen jeder Form mÙglich macht, sind ohnehin alle bisher gewohnten geometrischen und perspektivischen Proportionen abhanden gekommen.