„Mit hervorragenden Ausstellungen und umsichtiger sowie zugleich konzentrierter Sammlungspolitik hat sich das Museum Wiesbaden in den letzten Jahren, eher unbemerkt von der großen Kunst-Öffentlichkeit, zu einem der führenden Museen in Deutschland entwickelt.“ So die Begründung der AICA-Jury (Deutschlands Kunstkritiker).
Nach dem vorbildlich gelungenen Umbau des in die Jahre gekommenen Gründerzeitgebäudes, der in punkto Beleuchtung, Klima und Raumgestaltung Maßstäbe setzt und gleichwohl einen vergleichsweise engen Kostenrahmen nicht überschritten hat, setzte sich das Institut zum Ziel, die entscheidenden Positionen in der Kunst der Moderne zwischen den expressiv-subjektivistischen und rational-abstrakten Polen in markanter Form zu veranschaulichen und die vielfältigen und komplexen Verflechtungen dazwischen auszuleuchten. Die Politik des Museums trägt programmatische, auf die spezifischen Bezüge der Kunst zugespitzte Züge. Schon die Entscheidung für Programmatisches hebt das Museum Wiesbaden von den meisten Museen in Deutschland mit deren eher diffusen, auf nebulöse Vollständigkeit gestellten Sammlungshorizont ab.
Die nächsten Jahre werden eine erhebliche Erweiterung der bisherigen Ausstellungsfläche bringen und die völlige Umstrukturierung eines ehemals relativ profillosen hessischen Landesmuseums zum Abschluss führen. In den Sammlungen werden die polaren Positionen für die "klassische" Moderne durch die gewichtigen und umfangreichen Bestände an Gemälden von Alexej von Jawlensky und von einigen Gleichgesinnten einerseits sowie den Werken von Fritz Vordemberge-Gildewart und von manchen seiner "konstruktivistischen" Zeitgenossen andererseits bestimmt; darunter befinden sich tadellose Rekonstruktionen der Revolutionskunst Wladimir Tatlins in einem besonderen Raum, der dem Gedenken Annely Judas gewidmet ist. Für die Spätzeit der Moderne stehen eine imponierende Raum-Installation Ilya Kabakovs mit einem Blick zurück auf die sowjetische Revolutionskunst, einschließlich der zerschlagenen Hoffnungen, sowie korrespondierend und kontrastierend ein Ensemble ausgesuchter Beispiele der amerikanischen Minimal Art. Obwohl die Erhellung künstlerischer und kultureller Zusammenhänge den Vordergrund bildet, hat sich das Museum Wiesbaden bei den Neuerwerbungen und dem Anbinden ständiger Leihgaben weitestgehend von ästhetischen Qualitätserwägungen leiten lassen und fast immer die Gefahr gemieden, kunsttheoretische Einsichten zu illustrieren.Die inspirierende Sammlungsaktivität, die im Zentrum der Museumsarbeit steht und nicht als mehr oder minder lästige Nebentätigkeit behandelt wird, findet ihre überzeugende Ergänzung in einem pointierten und sorgfältig ausgewählten Ausstellungsprogramm. In diesem spielen die aktuellen Volatilitäten des Kunstmarkts keine Rolle. Vielmehr orientieren sich die Ausstellungen wie der Zuschnitt der Sammlungen an ausschlaggebenden Fragen der Kunst der Moderne und erweitern und vertiefen die Perspektiven, die sich durch ihre bedeutsamen Werke abzeichnen. Die komplexen Beziehungen zwischen Kunstwerk und Wahrnehmung werden immer wieder thematisiert, wobei die sinnlichen und sinnenhaft erfassbaren Elemente und Zusammenhänge eine größere Aufmerksamkeit erfahren, als die vordergründig diskursiven. Namentlich exemplarische Einzelausstellungen, wie in jüngerer Zeit von Eva Hesse, der ersten repräsentativen überhaupt, Jochen Gerz oder jüngst Emil Schumacher und vor allem Rebecca Horn eröffnen stets neue Aspekte im künstlerischen "Regime der Wahrnehmung" und werfen, nicht zuletzt dank enger räumlicher Verzahnung, mit vielen aufschlussreichen Durchblicken, beständig neue Fragen an die Bilder und Skulpturen der Sammlung auf. Meist werden aus den Einzelausstellungen ein oder mehrere Beispiele für die ständige Sammlung erworben. Dadurch behält letztere ihre Aktualität und verliert sich nicht in der Grauzone des Musealen.
Das originelle und dichte Führungs- und Veranstaltungsprogramm hat systematisch das einheimische Publikum an die anspruchsvolle und nicht um populistische Effekte bemühte Museumsarbeit herangeführt, die inzwischen auch von ihm mit steigendem Erfolg getragen wird. Das Museum Wiesbaden tritt den beweis an, dass eine planvolle und durchdachte Information auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln langfristig die entsprechende Resonanz in der Öffentlichkeit erreicht, ohne im Markt der spektakulären Events mithalten zu müssen. Vorbildliche Kataloge und intensive Forschung sind wichtige Pfeiler dieser Museumspraxis. Alles spricht dafür, das Museum Wiesbaden mit dem Titel "Museum des Jahres 2007" auszuzeichnen.
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