ZwÙlf Wochen arbeitete der Bildhauer Frank Raendchen am wohl weltweit lÙ†ngsten Orientteppich aus Stein in der Hambuger HafenCity ... frisch versiegelt ist der Teppich nun vom Bauzaun befreit
(http://www.steinerner-orientteppich.de) Der orientalische Steinteppich besitzt für Hamburg einen dreifachen Wert: Als Kunstobjekt, als Wertgegenstand mit groÙƒem praktischem Wert und als visuelle Verbindung zwischen Hafen und dem Stadtzentrum. Hamburg ist bekannt als weltweit grÙÙƒter Umschlagplatz für Orientteppiche – das betrifft nicht weniger als 3,6 Mio. Quadratmeter handgewebte Teppiche pro Jahr. Dem Bildhauer Raedchen zu Folge, bringt der Eingriff in die bestehende Stadtlandschaft den Hafen in das Bewusstsein der ضffentlichkeit zurück und macht sichtbar, was in den umgebenen Speichern millionenfach lagert. Der Bezug reicht dabei weit über die Stadtgrenzen hinaus, ist der Hamburger Hafen doch als "Tor zur Welt" bekannt und importiert und exportiert die Waren, mit und in denen auch die Hamburger tÙ†glich leben.
Laut Raedchen werden auf vielen Teppichen PlÙ†ne geschmiedet, die zu kommerziellen und politischen Erfolgen führen. AuÙƒerdem besitzen Orientteppiche neben dem Wert und dem dekorativen Charakter noch einen magischen Charme der groÙƒen weiten Welt. Obgleich sie ursprünglich für den alltÙ†glichen Gebrauch bestimmt waren und in der Vergangenheit als Zeltbehang, WÙ†rmespender, Tisch- und Schlafgelegenheiten oder sogar als BefÙrderungsmittel in Form von Satteltaschen verwendet wurden, dienen sie bis zum heutigen Tag als Gebetsteppiche auch als Symbol für den Garten Edens. Seit dem Fund der ungewÙhnlich gut-konservierten Pazyrik-Teppiche in den sibirischen Bergen von Altai, ist bekannt, dass die Technik des Teppichknotens schon seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. beherrscht wurde. Das Bild vom fliegenden Teppich inspiriert seit je her Kinder davon zu trÙ†umen, in eine Welt voller Wunder zu reisen.
Wie kleine KÙ†fer mit angewinkelten Armen und Beinen und zu Boden geneigtem Kopf hockten sie beieinander: Bildhauer, Illustratoren, Studenten, Stadtsoziologen, Fotografen ... In ihren 500g SchÙ†lchen verrührten sie 1,5 Tonnen Steingranulat mit Kunstharz, pressten die Masse sorgfÙ†ltig in Schablonen und strichen sie immer wieder glatt. Dicht und fest sollte es werden, damit sich spÙ†ter kein StÙckelschuh zwischen den Steinchen verhaken kann: wider zwei Kieselsteinchen raus, fünf rein – eine FleiÙƒ- und MaÙƒarbeit.
Sechs Wochen lang "webte" dieser bunte Trupp auf der Wilhelminen Brücke in der Speicherstadt von Sonnenauf- bis -untergang konzentriert an einem steinernen Orientteppich. Verstreut auf 67 Quadratmetern lagen unzÙ†hlige Schablonen, wurden von flinken Fingern zusammengesucht, gereinigt, geÙlt und an entsprechender Stelle eingefügt, um spÙ†ter durch Steinchen ersetzt zu werden. Geduld war vonnÙten, doch Geduld war rar, denn die offizielle ErÙffnung rückte zügig nÙ†her, wÙ†hrend das akribisch ausgeführte Feinhandwerk sich nur Zentimeter für Zentimeter dem Teppichende entgegen bewegte. Entsprechend angespannt war mitunter die Stimmung, trotz hurtigen Schmierens und Stopfens, schien es nie schnell genug zu gehen. Alle Ù†chzten unter Gliederschmerzen, witzelten über den VerschleiÙƒ, und rieben sich mit Vaseline ein, um nicht selbst zum starren Kunstharzobjekt zu werden. Vereinzelt hÙrte man ein Fluchen - dann war wieder einer unachtsam durchs bereits vollbrachte Werk des Anderen gestapft.
Derweil schipperten unter der Brücke von früh bis spÙ†t die KÙ†hne. Die Bootsführer verkünden den Touristen lautstark ihre Version der Speicherstadt, Satzfetzen davon verhedderten sich im Bauzelt: „Wenn dort das Licht angeht, lÙ†uft gerade eine Jungfrau über die Brücke“, „…Speicherstadt erÙffnete 1888…“, „…das grÙÙƒte Lager der Welt für Orientteppiche…“ – Nun erhielt die Speicherstadt einen Teppich, der nicht übers Meer kam, und der nicht in einem Wohnzimmer enden wird.
Die Idee kam dem Hamburger Bildhauer schon vor 3 Jahren, und schon kurz darauf legte er in der Speicherstadt 70 Euro für einen Perserteppich als Modell auf den Tisch. Diesem hat er nun, mit Hilfe der Stralsunder Landschaftsarchitektin Silke van Ackeren, das steinerne Exemplar nachempfunden, doch wie jedes handgefertigte Stück, ist auch dieses nicht ganz frei von winzigen Webfehlern. Ein Unikat. Garantiert.
Das Projekt wurde gefÙrdert von der KÙrber Stiftung, Hamburg im Rahmen von Kunst und Kultur in der HafenCity 2005.
zur Person:
Raendchen wurde 1962 in Stralsund geboren, absolvierte dort nach dem Abitur eine Zahntechniker- und eine Steinmetzlehre bevor er im Mai 1989 nach Kiel übersiedelte.
Es folgte ein Studium der Bildhauerei an der Kieler Muthesius Kunsthochschule und der kalifornischen San Jose State University. Raendchen lebt heute in Hamburg und arbeitet projektbezogen vor Ort. Seine Projekte führten ihn u. a. nach ؤgypten, Australien, Mazedonien, DÙ†nemark, Italien, Finnland, Schweden, Norwegen, in die baltischen Staaten und nach ضsterreich. Im nÙ†chsten Jahr wird er im Sommer sein 10-jÙ†hrigiges AtelierjubilÙ†um mit einer Ausstellungsreihe in seiner Geburtsstadt Stralsund, in der dortigen Kulturkirche erÙffnen. Geplant sind hier Ù†hnlich der Eutiner Wasserturminstallation 1997, eine Installation aus 4 Tonnen Findlingen und "schwebenden" Kartoffeln als Fluxusperformence - nun um das alte Orgelgestühl. Es folgen Ausstellungen in der Rostocker Stadtgalerie, dem schleswig-holsteinischem Kunstverein Trittauer Wassermühle, der Stadtgalerie Brunsbüttel und der Hamburger Galerie Ruth Sachse.
weitere Informationen zum Projekt: www.steinerner-orientteppich.de sowie zur Person: www.raendchen.de
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