(dw-world.de) Der Vollmond und die Sterne stehen am Himmel. Ein Schiff segelt hindurch, um den Sonnengott von Ost nach West zu bringen. Diese Szene ist auf der Himmelscheibe von Nebra zu sehen. Die rund fünf Pfund schwere Bronzescheibe mit Goldapplikationen ist eine der wichtigsten archنologischen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts. Und die Geschichte ihres Fundes liest sich wie ein Krimi: Im Jahr 1999 hatten Schatzjنger die Scheibe zusammen mit anderen Artefakten aus der Bronzezeit in einer Steinkammer aus dem Mittelberg bei der sachsen-anhaltinischen Stadt Nebra entdeckt. Sie sنuberten die wertvolle Scheibe mit Stahlwolle und boten sie auf dem Schwarzmarkt für antike Kunstwerke an. Marktwert: rund eine halbe Million US-Dollar. "Ich traf mich mit den Dieben in Basel. Nachdem sie mir die Scheibe gezeigt hatten, sagte ich ihnen, dass ich die Echtheit der Scheibe testen wolle. Und nach dem Test stürmte die Polizei den Raum und verhaftete die Diebe", erzنhlt Harald Meller, Leiter des Landesamts für Archنologie Sachsen-Anhalt, der entscheidend an der Wiederbeschaffung des Meisterstücks aus der Bronzezeit beteiligt war.
Hochmoderne Methoden bewiesen Echtheit
Seitdem hat die Himmelsscheibe von Nebra für viel Diskussionsstoff zwischen internationalen Wissenschaftlern und ArchÙ†ologen gesorgt und war Gegenstand dutzender Gerichtsverhandlungen, bei denen es auch um Fragen ihrer Echtheit ging. Denn viele Experten glaubten, die Scheibe wÙ†re eine FÙ†lschung, weil sie so plÙtzlich auf dem Kunstmarkt aufgetaucht war. Doch durch modernste Methoden konnte letztendlich Ernst Pernizca, Gründer des ArchÙ†ometrie Zentrums in Mannheim, die Zweifel an der AuthentizitÙ†t der Scheibe ausrÙ†umen. "Leider kÙnnen wir Metallobjekte nicht wirklich datieren, aber wir kÙnnen herausfinden, ob das Metall innerhalb der letzten 100 Jahre hergestellt wurde oder ob es Ù†lter ist", erklÙ†rt Pernizca. Dazu nutzen die Experten in den archÙ†ometrischen Laboren hochempfindliche Technologien, die zum Teil für die Raumfahrt entwickelt wurden.
In diesem Fall kam zunÙ†chst ein RÙntgenfluoreszenzspektrometer zum Einsatz, das kleinste Proben des zu untersuchenden Materials analysieren kann und so Rückschlüsse auf das Alter des Artefakts zulÙ†sst. "Wir haben diesen Test sehr schnell durchgeführt. Und so konnte ich Harald Meller glücklicherweise dann versichern, dass es sich bei der Scheibe nicht um eine FÙ†lschung handelt", erinnert sich Pernizca. "SpÙ†ter haben wir noch dutzende weitere Parameter untersucht, um eine FÙ†lschung auszuschlieÙƒen.
Einblick in die intellektuelle Welt der Bronzezeit
Ù€ber 300.000 Menschen haben die Sonnenscheibe wÙ†hrend der Ausstellung in Sachsen-Anhalt gesehen, so dass sie zur erfolgreichsten archÙ†ologischen Ausstellung im Deutschland der Nachkriegsjahre wurde. Jetzt ist der "geschmiedete Himmel" zusammen mit über 400 Stücken aus Museen in der ganzen Welt in Mannheim zu sehen. Aber der Star der Show ist und bleibt die legendÙ†re Sonnenscheibe, die nach SchÙ†tzungen der Wissenschaftler 3.600 Jahre alt ist. "Dieser Fund ist so wichtig, weil er ein kleines Stück der geistigen und intellektuellen Welt der Bronzezeit zeigt", sagt Harald Meller. Normalerweise sehe man nur die materielle Welt, nicht die intellektuelle. "Aber die Sonnenscheibe stellt das Weltbild der Bronzezeit dar - Ù†hnlich dem der Babylonier oder Griechen - aber 1.000 Jahre Ù†lter. AuÙƒerdem konnte ich herausfinden, wie komplex das astronomische Wissen der vorgeschichtlichen BevÙlkerung war."
Aber nicht nur auf das Wissen der Bronzezeit gibt sie Hinweise: Die Sonnenscheibe war ein Kultobjekt ihrer Zeit und enthüllt gleichzeitig die Glaubensstrukturen und religiÙsen Praktiken der Menschen vor über 3.600 Jahren. Und damit ist sie ein Indiz dafür, dass die Zivilisation der Bronzezeit viel weiter entwickelt war, als wir glaubten.
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