StÙ†dtereisen
Mainz - Dr. Ala al-Hamarneh
Arabisch-islamische Architektur ist wahrlich reich an Stilen, Formen und Techniken. Die regionale Architektur und ihre Baumaterialien wurden an die gegebene Umwelt, die klimatischen und kulturellen VerhÙ†ltnisse und die verschiedenen Lebensstile angepasst. Die "Wolkenkratzer" von Shibam im Jemen, das "Damaszener Haus", die Fensterbalkone aus Holz in ؤgypten ("Maschrabijah") und die "Windtürme" im mauretanischen Stil verdeutlichen die architektonische Spannweite. Vom spanischen Andalusien über die zentralasiatischen StÙ†dte von Samarkand und Bukhara bis hin zu Marrakesch, Kairo, Damaskus, Istanbul, Jerusalem, Sana und Isfahan: Hunderte StÙ†dte, tausende Moscheen und zehntausende Ùffentliche und private GebÙ†ude bestÙ†tigen die SchÙnheit und Vielfalt der lokalen 'Settings'.
Beirut gehÙrte einst zu den bezauberndsten modernen arabischen StÙ†dten. Die erste Stadterweiterung fand Ende des 19. bis in die erste HÙ†lfte des 20. Jahrhunderte statt. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Siedlung auf dem Gebiet westlich von dem heutigen MÙ†rtyrerplatz und war von einer Stadtmauer umgeben. Zu dieser Zeit lebten circa 10.000 Einwohnern in dem kleinen Hafen und HÙ†ndlersitz. Die BevÙlkerung setzte sich aus unterschiedlichen ethnischen und religiÙsen Gruppen zusammen. Die grÙÙƒten Gruppen waren die arabischen Sunniten (45 Prozent) und die arabischen orthodoxen Christen (25 Prozent), der Rest setzte sich aus arabischem Maroniten, Schiiten, Drusen und Juden sowie Türken, Griechen und einigen anderen EuropÙ†ern zusammen. 1880 lebten schon 80.000 Menschen in der Stadt, 1920 hatte sich die Zahl bereits auf 130.000 erhÙht und erreichte 160.000 im Jahr 1932. Die allerersten "Vororte" von Beirut waren die heutigen zentralen Viertel Zokak el Blatt, Bachoura und Minet el Hosn. Ende des 19. Jahrhunderts fand in einer zweiten Phase der Stadterweiterung ein Suburbanisierungsprozess statt, indem die Viertel Ras el Nabeh, Jimmayzeh, Ras Beirut und Moussaitbeh eingemeindet wurden. In den dreiÙƒiger Jahren weitete sich Beirut über die Gebiete von Mazraa, Ashrafyeh, Ain el Mreiseh, Kantari und Rmeileh aus.
Die Architektur von Beirut war vor allem durch zwei Elemente gekennzeichnet: Fassaden mit dreifachen Bogenfenstern und groÙƒe Veranden. Bis zum Beginn des Bürgerkrieges 1974 beherrschten GebÙ†ude mit solchen Elementen das Stadtbild. Der Bürgerkrieg und spÙ†ter die israelische Invasion der Stadt zerstÙrten 1982 einen GroÙƒteil der alten Bausubstanz und führten zu massiven BeschÙ†digungen an vielen weiteren historischen GebÙ†uden. Verschiedene PlÙ†ne zum Wiederaufbau der Stadt wurden am Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre entwickelt. Der von SOLIDERE vorgeschlagene Plan zum Wiederaufbau des Stadtzentrums wurde in die Tat umgesetzt.
Mein Besuch im Januar 2006 war nicht der erste Besuch Beiruts. Ich hatte die Stadt, als sie vollkommen zerstÙrt war und spÙ†ter in verschiedenen Phasen des Wiederaufbaus besucht. Ich war voller Erwartung, die Stadt jetzt angesichts der politischen VerÙ†nderungen wieder zu sehen. Architektonisch spiegelt das Stadtbild die allgegenwÙ†rtige Suche nach politischer Orientierung und IdentitÙ†t wider. Das von SOLIDERE wieder aufgebaute Stadtzentrum, das im Volksmund D.T. genannt wird ("Dee Tee" von Down Town), setzt sich aus einer merkwürdigen Mischung von Architekturstilen zusammen. Eklektizismus ist das Stichwort. Die Mischung beinhaltet verschiedenste architektonische Formen und Arten aus dem Mittelmeerraum und darüber hinaus. So finden sich darin Elemente aus der italienischen Toskana und von Venedig sowie andalusische und mauretanische Formen neben genauen Kopien aus dem franzÙsischen Klassizismus wieder. Das postmoderne 'Setting' ist vergleichbar mit dem, was ich in Dubai und Los Angeles beobachtet habe: StÙ†dte ohne historisch stadtbauliche und urbanistische Traditionen. Um die D. T. und die angrenzende 'Waterfront' herum wurden GebÙ†ude aus Glas und Stahl neu errichtet, die das postmoderne Gesicht der Stadt bilden sollen. Die Meinungen über den Wiederaufbau und die weitere Entwicklung sind geteilt. WÙ†hrend einige behaupten, dass die jetzige Entwicklung zu keiner IdentitÙ†tsbildung beitrÙ†gt, heben die anderen die Bedeutung des Wiederaufbaus an sich hervor. Die radikalen Kritiker unterstreichen die MÙglichkeit einer Rekonstruktion der beschÙ†digten GebÙ†ude nach den Leitmotiven des Beiruter Architekturstils, nÙ†mlich mit den dreifachen Bogenfenstern und Veranden. Sie argumentieren, dass Beirut damit seine Einheit, IdentitÙ†t und kulturelle Heimat wieder finden kÙnnte. Sie legen wert auf die Tatsache, dass hunderte solcher GebÙ†ude über die ganze Stadt verstreut sind. Durch eine umfassende Renovierung der GebÙ†ude würde die architektonische Harmonisierung eine rÙ†umliche KontinuitÙ†t über das gesamte Stadtgebiet bewirken.
Ich fasste den Entschluss Beirut auf der Suche nach seinen ArchitekturschÙ†tzen neu zu ergründen. Die Stadtverwaltung hatte einige Viertel mit dem Verweis auf ihr historisches Kulturerbe gekennzeichnet. Dazu gehÙren die Viertel Yasouiyeh, Patriarchat und Sanayeh. Insgesamt findet man einzelne wunderschÙne Elemente des Beiruter Architekturstils über die ganze Stadt verstreuet. Vor allem die Viertel: Ashrafyeh, Ras el Nabeh, Ras Beirut and Jimmayzeh sind sehenswert. Die GebÙ†ude lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zur ersten Gruppe zÙ†hlen die bereits restaurierten GebÙ†ude. Herausragende Beispiele befinden sich in den StraÙƒen von Monot, Spears und Abdel Wahab el Inglizi. Vereinzelt kÙnnen auch GebÙ†ude in Minet el Hosn and Zokak el Blatt entdeckt werden. Viele sind als WohngebÙ†ude, andere als Restaurants, Galerien und Büros genutzt. Die zweite Gruppe besteht aus unbewohnten GebÙ†uden, die eine unverzügliche und umfassende Instandsetzung benÙtigen. UngeklÙ†rte Eigentumsfragen und finanzielle Gegebenheiten verhindern unter anderem geeinigte SanierungsplÙ†ne. Zum Teil zerstÙrte und stark beschÙ†digte, leer stehende GebÙ†ude fallen unter die dritte Gruppe. Um sie nutzbar zu machen, bedarf es massiver Investitionen und der Zusammenarbeit von privatem und Ùffentlichen Sektor unter der Hilfe von qualifizierten Restaurateuren und Architekten. Die GebÙ†ude der zweiten und dritten Gruppe sind über das gesamte Gebiet der oben genannten Viertel verteilt.
Seltene Beispiele der Interpretation des 'Beiruter Stils' kann man in einigen Neubauten in Ras Beirut und Ain el Mreisseh beobachten. Den 'Beiruter Stil' in Verbindung mit Glas, Stahl und Beton umzusetzen, ist jedoch mit Sicherheit nicht üblich. Trotz allem geben die wenigen existierenden Beispiele einen Anstoك für kreative Ideen im Zusammenhang mit der Einbindung von traditionellen Bauelementen in der Stadtplanung und -gestaltung.
Alles führt immer wieder auf die Frage zurück: Reflektiert der Raum die IdentitÙ†t des Menschen oder gestaltet der Raum seine IdentitÙ†t? Regionale Landschaften und Ressourcen bestimmten die IdentitÙ†t und Kultur des Menschen über Tausende von Jahren. Doch welchen Einfluss haben die vom Menschen geschaffenen Welten auf Lebensstil, IdentitÙ†tsbildung und -gestaltung? Hierauf gibt es natürlich keine einfache Antworten. Sicherlich ist man sich darüber einig, dass kultureller Reichtum und DiversivitÙ†t wie historisch gewachsene IdentitÙ†ten Eingang in die Stadtgestaltung finden müssen, um nicht weltweit in gleichen 'Disney Lands' zu enden. Die historische Architektur ist die Grundlage für die moderne und postmoderne DiversivitÙ†t der Urbane. Die Stadt hat das 'schlafende' Potenzial sich mit seiner Architektur wieder in die SchÙnheit des Beiruts der dreifachen Bogenfenster und Veranden zu verwandeln. |